Mittsommer (Lughnasad, Schnitterfest)
Mittsommer oder auch aus dem keltischen „Lughnasad“ ist ein Vollmondfest. Es fällt auf den zweiten Vollmond nach der Sommersonnenwende. Mittsommer liegt im Jahresrad im Süd – Westen und läutet als erstes von drei Erntefesten die Erntezeit ein – passenderweise hat dieses Fest im Volksmund auch den Namen Schnitterfest. Im Sonnenlauf des Tages entspricht der Südwesten dem späten Nachmittag. Jener Zeit wohliger Wärme, in der das Licht bereits weicher wird und der Tag sich langsam seinem Ende zuneigt.
Mittsommer im Tierkreiszeichen Löwe
Mondfeste sind wie eine Hochzeit im Jahresrad – ein Höhepunkt der Kräfte. Jetzt stehen wir mitten im Sommer und sind soeben in das Tierkreiszeichen Löwe eingetreten. Der Löwe, dem Element Feuer zugehörig, verkörpert die Strahlkraft und Wärme dieser (eigentlich) heißesten Zeit des Jahres.
Mittsommer ist das erste Erntefest des Jahres. Das Getreide wird geschnitten und auch das erste Brot aus frischem Korn wird gebacken. Mittsommer bekam daher auch oft den Beinamen „Brotfest“.
Mittsommer / Lughnasad leitet die großen Ernten ein. Es sind die Arbeitsintensivsten Wochen im Jahr, so zumindest noch bei unseren Vorfahren. Und auch heute noch müssen Landwirte, Obst- und Weinbauern zu dieser Jahreszeit den größten Teil der Ernte einfahren, verarbeiten und haltbar machen.
Nun wird deutlich, warum es zwischen Sommersonnenwende und Mittsommer Brauch war, sich der Muße, dem Genuss und der Lebensfreude hinzugeben. Diese Tage waren wie ein Auftanken – denn jetzt gilt es, alle Kräfte zu mobilisieren, um die Ernte jeder Art einzubringen.
Was wir im Frühjahr gesät haben, ist nun gewachsen und gereift. Jetzt dürfen wir die Fülle des Lebens nicht nur sehen, sondern auch einbringen. Wir erkennen, was in unserem Leben Früchte getragen hat. Süße, nährende Früchte, welche wir vielleicht wieder aussäen wollen weil sie uns guttun. Wir erkennen auch, was Bestand haben soll und uns weiter begleiten darf.
Diese Zeit lädt uns ein, tief zu blicken:
- Welche Früchte darf ich ernten?
- Welche Mühen haben sich gelohnt?
- Was möchte ich bewahren, was erneut in die Welt bringen?
- Welche Missernten muss ich hinnehmen, um Platz für Neues zu schaffen?
Es ist wie eine Inventrur unseres Lebens, welche uns viel verrät über unser Handeln in den vergangenen Monaten
Mittsommer und die Ernte lehren uns, das Wertvolle anzunehmen, das Gute zu sammeln und zu würdigen. Doch sie lehren uns auch, das loszulassen, was uns nicht nährt. Wie der Bauer mit der Sichel das Korn schneidet und die Kräuterfrau die Heilpflanzen erntet, so setzen auch wir einen klaren Schnitt: Wir trennen uns von dem, was keinen Bestand mehr hat.
Die Zeit der Ernte lehrt uns, den richtigen Moment zu erkennen – und mit Klarheit zu sagen:
Das behalte ich. Das lasse ich los.
Alles, was uns nicht mehr dient, bleibt zurück. So können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren – auf das, was uns wirklich nährt und wachsen lässt
Mittsommer und die Wilden Kräuter
Aber nicht nur die kultivierten Ernten stehen an, sondern die gesamte Pflanzenwelt kommt zur Reife und möchte die Samen für das kommende Jahr aussäen. Nicht nur auf den Feldern wird fleißig geerntet, auch Heilkräuter dürfen bis zum nächsten Vollmond gesammelt werden.
Die Heilkräuter dieser Jahreszeit entfalten zwischen dem August Neumond und dem darauffolgenden Vollmond ihre größte Kraft. Früher zogen die Kräuterfrauen genau zu diesem Fest hinaus, um die wirksamsten Pflanzen dieser kraftvollen Jahreszeit zu sammeln. Aus ihnen banden sie den magischen Kräuterbuschen – bestehend aus 7, 9 oder 12 kraftvollen Heilpflanzen. Dieser Bund war die Vorsorge für das kommende Jahr. Für Zeiten, in denen Tod oder Geburt begleitet werden mussten, um Krankheit zu lindern oder Unheil abzuwenden. In den Augusttagen füllten die Kräuterfrauen ihre Hausapotheke mit allem, was sie für das Jahr bis zur nächsten Ernte brauchten.
Mittsommer im Jahreskreis
Der Rückblick - die Sommersonnenwende
Die Sommersonnenwende war der Höhepunkt des Lichts – und zugleich der Wendepunkt. Von hier an wurden die Tage wieder kürzer, auch wenn die Wärme und Fülle des Sommers noch spürbar sind. Es ist ein Schwellenmoment: Wir stehen auf der Spitze des Jahres, blicken zurück auf das, was gewachsen ist, und erahnen zeitgleich die kommende Zeit der Reife und der Ernte. Die ersten kleinen Gaben, wie ein Strauß Johanniskraut, ein Korb frischer Beeren waren zarte Vorboten des Überflusses, welchen wir nun erfahren dürfen. Diese Tage luden uns ein, innezuhalten, das Licht in uns aufzunehmen und die Kraft des Augenblicks tief in unseren Herzen zu bewahren – als Vorrat für die Zeit, wenn das Jahr sich wieder nach innen kehrt.
Der Ausblick - Die Herbsttagundnachtgleiche
Die bevorstehende Herbsttagundnachtgleiche lädt uns ein, auf eine Zeit des Überflusses und der Fülle zu blicken. Sie markiert das zweite von drei Erntefesten im Jahreskreis. Nun zeigt sich, ob die Samen, die wir im Laufe des Jahres gesät haben – sei es in unseren Gärten, in unseren Projekten oder in unseren Herzen – reiche Früchte tragen. Ob eine sorgfältige Planung, ein mutiger erster Schritt oder liebevolle Pflege: Alles, was wir genährt haben, offenbart in diesen Erntefesten sein Ergebnis. Ein Großteil der Ernte ist bereits eingebracht, und die Tage beginnen wieder ruhiger und leichter zu werden. Dennoch liegt noch eine intensive Phase der Vorbereitung auf die dunkle Jahreszeit vor uns – eine Zeit, die sowohl Entbehrungen mit sich bringt als auch die verheißungsvolle Aussicht auf Ruhe, Rückzug und Einkehr.
Der Ausgleich - Mittwinter
Die beiden Mondfeste Mittwinter und Mittsommer liegen sich im Jahresrad gegenüber. Mittwinter – der Gegenpol – ist ein karger Zeitpunkt, wenn wir in die Natur blicken. Die Vorräte aus dem Vorjahr neigen sich dem Ende zu, die Tage sind kurz, und das Licht ist nur ein leiser Hoffnungsschimmer. Es ist eine Zeit des Stillhaltens und Wartens, bis neues Leben erwacht.
Ganz anders hingegen Mittsommer. Hier zeigt sich die Natur in ihrer vollen Pracht. Das Getreide wiegt sich golden im Wind, die Beeren leuchten in satten Farben, Obst und Gemüse füllen die Gärten. Es ist die Zeit des Erntens, Haltbarmachens und Bewahrens – und doch auch eine Zeit, die uns fordert, sowohl körperlich als auch geistig.