Mittfrühjahr (Beltane)

Mittfrühjahr (Beltane) ist das zweite Vollmondfest im Zyklus des Jahreskreises. Es wird auf den 2. Vollmond nach der Frühjahrstagundnachtgleiche (Ostara) datiert. Beziehungsweise, je nach Berechnungsmethode der Jahreskreisfeste kann es auch auf den 5. Vollmond nach Jul fallen.

Mittfrühling - Symbolik als Himmelsrichtung

Betrachten wir das Jahresrad als einen Kreis, in dem die einzelnen Jahresfeste bestimmten Himmelsrichtungen zugeordnet sind, so finden wir den Mittfrühling im Südosten. Diese Position ist nicht zufällig gewählt, denn sie spiegelt die Energie und Dynamik dieser Jahreszeit auf eindrucksvolle Weise wider.

Der Südosten symbolisiert – wie im Tageslauf – den beginnenden Aufstieg der Sonne am Horizont.  Diese Himmelsrichtung steht für den frühen Morgen, wenn das Licht stärker wird und die Welt allmählich erwacht. Die Sonne ist bereits aufgestiegen, aber noch nicht auf ihrem höchsten Punkt im Süden angekommen. Es ist die Zeit des Morgens, der wachsenden Wärme und des zunehmenden Lichts – genau jene Kräfte, die auch im Mittfrühling spürbar sind.

Die Tage werden länger, das Licht intensiver, die Temperaturen steigen spürbar. Die erwachende Sonne bringt neues Leben, neue Kraft und weckt die Natur aus ihrem Winterschlaf. Ihre Strahlen berühren uns wie eine sanfte Umarmung, wie ein liebevolles Wachküssen, das nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch uns Menschen in Bewegung bringt. Im Mittfrühjahr feiern wir die heilige Vereinigung von männlichen und weiblichen Urkräften.

Wir Ehren die aufsteigenden Energien des Mittfrühlings, welche voller Tatkraft und Hoffnung sind. Sie sind voller Wachstum, Fruchtbarkeit und schöpferischem Neubeginn. Alles in der Natur strebt nach oben – Knospen brechen auf, Triebe schießen aus dem Boden, Tiere verlassen ihre Winterverstecke. Auch wir spüren ein inneres Aufleben, einen Drang, aktiv zu werden, Neues zu beginnen. Es ist jene Zeit, in der wir die Fruchtbarkeit des Lebens ehren.

Diese Phase des Jahres ist die Hochzeit des Frühlings – die Hochzeit von Liebesgefühlen, Lebenslust und Fortpflanzungskraft. In der Natur zeigt sich nun ganz deutlich: Es geht um das Erwachen der sexuellen Energien. Alles drängt nach Entfaltung, nach Verbindung, nach neuem Leben.

Zahlreiche heimische Tierarten befinden sich in ihrer Paarungszeit. Die Bedingungen sind günstig – milde Temperaturen, längere Tage und ein reiches Nahrungsangebot schaffen ideale Voraussetzungen für die Fortpflanzung. Überall lässt sich das Werben um einen Partner beobachten: Vögel singen und bauen ihre Nester, um bald ihre Brut zu versorgen. In dieser Zeit erblicken viele Jungtiere das Licht der Welt: Rehkitze, Fuchswelpen, Entenküken und kleine Eichhörnchen gehören zu den häufigsten Frühjahrsgeburten.

Auch die Pflanzenwelt zeigt sich in voller Blüte. Farbenfrohe Blütenkelche öffnen sich der Sonne entgegen und locken Insekten an, die unermüdlich für Bestäubung und somit für das Fortbestehen der Arten sorgen.

In dieser Zeit pulsiert die Lebensenergie kraftvoll, überall ist das Streben nach Wachstum und Erneuerung zu spüren. Die Natur entfaltet sich mit voller Kraft und auch wir merken es – das Frühlingshoch und seine Gefühle vertreiben (hoffentlich) den letzten Winterblues.

Mittfrühling – die Hochzeit des Tierkreiszeichen Stier

Mittfrühling – die Hochzeit des Frühlings und dessen Energien. Aber ebenso die Hochzeit des Tierkreiszeichens Stiers – ein uraltes Symbol für Stärke, Fruchtbarkeit und sinnliches Leben.

Der Stier verkörpert jene erdverbundene Kraft, die in dieser Zeit überall spürbar ist: die Energie des Wachstums, der Entfaltung und des genussvollen Daseins.

Wir spüren in dieser Zeit eine intensivere Verbindung zur Erde, zu unserem Körper und zu den einfachen Freuden des Lebens. Der Stier steht genau für die Qualitäten dieser Zeit: Erdung, Sicherheit, Beständigkeit – aber auch für sinnliche Wahrnehmung und das Auskosten der Fülle.

In der Symbolik des Jahresrads steht der Stier für die feste Entschlossenheit der Natur, Leben hervorzubringen. Es ist nicht mehr nur die zarte Aufbruchsstimmung des frühen Frühlings, sondern eine kraftvolle, zielgerichtete Wachstumsbewegung. Alles strebt nun nach Stabilität, nach Form, nach greifbarem Ausdruck – genauso, wie der Stier mit seinem festen Stand und seinem starken Körper die Energie in die Materie bringt.

Das Element Feuer spielt eine zentrale Rolle im Fest des Mittfrühlings, insbesondere sichtbar in den Bräuchen rund um die traditionellen Maifeuer. Feuer steht nicht nur für Licht, Wärme und Energie, sondern auch für innere Leidenschaft und Begeisterung – wir sagen nicht umsonst: „Wir brennen für etwas.“ Es ist ein Symbol der Transformation, das uns Kraft verleiht, Altes zu wandeln und Neues zu entfachen.

Doch der Mittfrühling ist nicht nur ein Fest der Lebenskraft und Sinnlichkeit – er markiert auch einen besonderen Moment im Jahreskreis: Die Schleier zur Anderswelt sind in dieser Zeit zum zweiten Mal besonders dünn. Es ist eine Schwelle, an der die Grenzen zwischen unserer Welt und der geistigen Welt durchlässiger erscheinen. Ein Moment, in dem wir leichter in Verbindung treten können mit Wesen, Energien und Impulsen jenseits des Sichtbaren.

Ein schönes Bild für diesen Zugang bietet uns der Wald. Im Mittfrühling ist er noch nicht vollständig zugewachsen – das Blätterdach hat sich noch nicht geschlossen, der Unterwuchs lässt noch Blicke in die Ferne zu. Dennoch wird es dichter, lebendiger, frischer und wieder voller Leben. In dieser Zeit begegnen wir insbesondere den wachstumsorientierten Wesen – Naturgeister, Elementarwesen, Helfer der fruchtbaren Kräfte, die uns begleiten und inspirieren können.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Jahresrades liegt Samhain, das Fest des Mittherbstes. Hier lichten sich die Schleier zur Anderswelt abermals, doch auf ganz andere Weise. Der Wald verliert nun seine Blätter, die Pflanzenwelt zieht sich zurück, die Sicht wird wieder durchlässiger. Diesmal richtet sich unser Blick nicht nach vorn in das sprießende Leben, sondern zurück: zu unseren Ahnen. Samhain ist die Zeit der Rückschau, des Gedenkens und des Loslassens. Wir treten in Verbindung mit denjenigen, die uns voran gegangen sind. Hier können wir alte Verstrickungen lösen, offene Themen klären und uns mit unserem Ursprung verbinden.

So bilden Beltane und Samhain zwei Pole im Jahreskreis – sich gegenüberliegend, ausgleichend aber zugleich in tiefer Verbindung. Hier das ekstatische, lebensbejahende Feuer des Frühlings, das mit voller Kraft in die Welt hinausdrängt. Dort die stille Einkehr in den Schatten, das Ahnenfeuer, das uns an unsere Wurzeln erinnert. Zwischen ihnen liegt der Kreislauf des Lebens: Entstehen und Vergehen, Ekstase und Einkehr, Wachstum und Erinnerung – im ständigen, heiligen Wandel.

Rituale und Brauchtum zu Beltane – das Fest der ungezügelten Lebenslust

Beltane, das Fest des Mittfrühlings, ist eines der sinnlichsten und ausgelassensten Feste im Jahreskreis. Es feiert die ungehemmte Lebensfreude, die schöpferische Kraft der Sexualität, die Lust am Dasein und das ekstatische Einssein mit dem Leben. In dieser Zeit stehen Lebenskraft, Fruchtbarkeit und das Feiern in all seinen Formen im Mittelpunkt.

Beltane ist das Fest der überschäumenden Lebensenergie – eine Einladung, alles abzulegen, was uns einengt, uns beschämt oder klein hält. Hier darf man aus der Reihe tanzen, laut lachen, hemmungslos genießen, wild und verrückt sein. Es ist die Zeit, Scham abzulegen und sich selbst in seiner puren Lebendigkeit zu erleben – ungezügelt, schamlos, frei – mit Musik, Tanz, gutem Essen, lautem Lachen und ausgelassenen Spielen. Es ging darum, das Leben zu spüren und gemeinsam zu genießen – ganz im Hier und Jetzt. Noch heute finden sich in Maifeiern und Walpurgisbräuchen Spuren dieses ausgelassenen Geistes, etwa in ländlichen Traditionen wie dem „Maibaumklau“, bei dem der Maibaum benachbarter Gemeinden gestohlen wird. Dieser Brauch symbolisiert nicht nur spielerische Rivalität, sondern vor allem Frohsinn, Schalk und übermütige Lebensfreude.

Das Beltane Feuer – Reinigung und Aufbruch

Ein zentrales Ritual war das Entzünden von zwei Beltane Feuern, welche nebeneinander entfacht wurden – gerade so weit voneinander entfernt, dass man dazwischen hindurchgehen konnte. Dieses „Feuertor“ diente symbolisch der Reinigung und der Transformation. Das Vieh wurde zu dieser Zeit aus den Ställen, zwischen den Flammen auf die Sommerweiden getrieben, um es zu segnen und vor Krankheiten zu schützen. Ebenso gingen auch die Menschen zwischen den Feuern hindurch – ein ritueller Akt des Loslassens und der Erneuerung.

Alles, was schwer, lebensfeindlich oder belastend war, sollte durch die Kraft des Feuers verbrannt und aufgelöst werden. Sorgen, alte Muster, Blockaden – sie durften im Beltane-Feuer transformiert werden, um rein, gestärkt und befreit in die helle, warme Jahreszeit zu starten. Dieser Moment markiert einen inneren wie äußeren Neubeginn: Das Alte wird losgelassen, die Seele gereinigt – der Weg ist frei für Wachstum, Freude und Lebenskraft.

Vom Licht zum Blühen – Mittfrühling im Kontext des Jahreskreises

Dem Mittfrühling, geht im Jahreskreis ein bedeutender Wendepunkt voraus: die Frühjahrstagundnachtgleiche, das Fest Ostara. An diesem besonderen Tag sind Tag und Nacht identisch lang – ein Moment der vollkommenen Balance. Doch mit der Frühjahrstagnachtgleiche beginnt auch ein Wandel: Von diesem Punkt an sind die Tage länger als die Nächte. Das Licht siegt über die Dunkelheit, und mit dem Licht erwacht das Leben.

Diese Zeit symbolisiert einen sanften Übergang – vom inneren Rückzug des Winters hin zum ersten Aufblühen und Erwachen der äußeren Welt. Aus der Balance der Tagnachtgleiche heraus dürfen wir wieder ins Tun kommen, aktiv werden, Neues anstoßen. Die Energie steigt, zunächst langsam, wie ein Keim, der sich durch die Erde kämpft. Mit jedem Tag, den die Sonne länger scheint, wächst auch in uns der Impuls, loszugehen, zu wachsen, sichtbar zu werden.

Diese Aufbruchsenergie erreicht mit dem Mittfrühling nun ihren Höhepunkt. Es ist die Phase im Jahr, in der die schöpferische Kraft des Lebens in voller Blüte steht. Alles drängt nach außen, nach Verbindung, nach Entfaltung. Die Natur explodiert förmlich in Farben, Düften und Lauten – und auch in uns Menschen wächst der Drang nach Freiheit, Sinnlichkeit, Kreativität und Lebendigkeit.

Doch der Jahreskreis ist ein Rad – jede aufsteigende Kraft hat ihr Gegenstück, ihren Ausgleich. Und so richten wir, während wir den Mittfrühling feiern, auch den Blick auf das gegenüberliegende Fest im Rad des Jahres: Samhain, den Mittherbst. Es ist das Fest der Ahnen, der Einkehr, des Rückzugs und der inneren Prozesse. Während zu Mittfrühling ekstatisches Leben, Zeugung und Fülle im Mittelpunkt stehen, geht es zu Samhain um Loslassen, um Abschied und um das Erkennen unserer Wurzeln. Es ist die Zeit, in der wir die Verbindung zur Anderswelt suchen – nicht mehr voller Lebenslust und Spiel, sondern in tiefer, stiller Achtsamkeit.

Diese Gegensätzlichkeit ist kein Widerspruch, sondern ein natürlicher Ausgleich. Im Jahresrad stehen sich Mittfrühling und Mittherbst wie Tag und Nacht, wie Ausdehnung und Rückzug, wie Zeugung und Ahnen gegenüber. Gemeinsam bilden sie das Gleichgewicht des Lebens – beide notwendig, beide heilig.

Während wir uns also im Mittfrühling ganz dem Aufbruch und der Lebenslust hingeben, dürfen wir im Hinterkopf behalten, dass auch diese Fülle Teil eines größeren Rhythmus ist – eines Zyklus von Werden, Vergehen und Wiederkehr.

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